Ein Gespräch mit Pfarrer Knud W. Schmitt
Pfarrer Knud W. Schmitt, der sich mit seiner 16-jährigen Hündin Lola eine Wohnung im Schiersteiner Pfarrhaus teilt und keine Haushälterin beschäftigt, kocht für seinen Gast ganz entspannt und in aller Seelenruhe eine Kanne grünen Tee und stellt so eine wunderbar gastfreundliche Atmosphäre her, die einen an das paulinische „seid gastfrei“ denken lässt. Am Abend erwarte er noch Besuch und überlege daher, was er für dieses Treffen wohl kochen könne. Es wird wohl Spaghetti „alla puttanesca“ geben, denn dafür habe er noch die Zutaten zu Hause. Er koche zwar nicht gerne, aber er esse gerne – nun, wer kennt das nicht.
Die angenehme Entspanntheit und Seelenruhe, die Pfarrer Schmitt im persönlichen Gespräch vermittelt, ist dabei nicht selbstverständlich. Leitet er doch seit der Einführung der „Pfarreien des neuen Typs“ durch den seinerzeitigen Bischof Tebarz-van Elst eine Großpfarrei mit insgesamt neun Kirchorten und ist darüber hinaus auch stellvertretender Stadtdekan. Im Gespräch macht Pfarrer Schmitt jedoch nicht den Eindruck, als sei die damit verbundene große Verantwortung und tragende Rolle für den hoch aufgeschossenen Mann eine, die ihm besonders schwerfalle. Im Gegenteil, – eher scheint es so zu sein, als lebe er damit seine Berufung. Und sei von Gott, seinen Gaben, seinem Charisma entsprechend, an genau den richtigen Platz gestellt worden.
Die Auswirkungen der Zusammenlegung so vieler ehemals eigenständiger Pfarreien seien heute immer noch spürbar. Die verschiedenen Pfarrorte seien sehr unterschiedlich, an einigen Orten gäbe es z. B. viele Besucher in der Hl. Messe, aber keine Kandidaten für den Pfarrgemeinderat. Schmitt glaubt daher, dass die Aussage nur bedingt zutrifft: „Die Zukunft der Kirche ist ehrenamtlich“.
Zudem gäbe es insgesamt zu viele kirchliche Immobilien (dazu zählen auch reine Wohngebäude), über deren alternative Nutzung nachgedacht werden müsse, denn die finanziellen Mittel, diese Gebäude zu unterhalten, wären schlichtweg in zwei, drei Jahren nicht mehr da. Die alten Besitztümer aufzugeben und die alten Zöpfe abzuschneiden, falle vielen Gemeindemitgliedern dabei nicht immer ganz leicht. Die vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten machten die Tätigkeit andererseits interessant, wenn man die aktuelle Entwicklung nicht nur defizitär sähe. Vielleicht sei es nach Gottes Plan, dass die katholische Kirche kleiner werde. Bischof Franz Kamphaus habe schon vor fast 30 Jahren festgestellt:
„Die Kleider sind zu groß geworden, man muss sie anpassen!“
Rückblende: Im Alter von 33 Jahren entschließt sich der ehemalige Jurist, der seinerzeit bei einer Versicherungsgesellschaft in Oberursel beschäftigt ist, dazu noch einmal umzusatteln und an der Philosophisch-Theologischen Hochschule St. Georgen in Frankfurt die Ausbildung zum Priester zu absolvieren. Vorausgegangen war dieser Entscheidung eine längere Zeit der Suche und Unklarheit, verbunden mit der Frage: „Wie geht es weiter? Was hat der Herr noch mit mir vor?“
Schmitt begibt sich in dieser Zeit auf die Behindertenwallfahrt der hessischen Bistümer nach Lourdes, die vom seinerzeitigen Oberurseler Kaplan und heutigen Frankfurter Stadtdekan Johannes zu Eltz begleitet und vom Malteserorden betreut wird. Und auch wenn in Lourdes keine einschneidenden Dinge passieren, entscheidet er sich im Anschluss an die Wallfahrt dazu, mit dem Bistum Limburg Kontakt aufzunehmen. Und ein Gespräch mit Johannes zu Eltz im Frühsommer 1992 gibt dann letztlich den Ausschlag für die Berufung. Schmitt macht im Anschluss schnell Nägel mit Köpfen und nimmt bereits zum 1. Oktober desselben Jahres das Studium auf. Es laufe eben wohl doch alles nach Gottes Plan. Er hatte damals das Gefühl: „Ich stand im Regal, und Gott hat mich herausgenommen.“
Gelebter Glaube in der Herkunftsfamilie
Dabei standen die Voraussetzungen für eine Priesterlaufbahn eigentlich von Anfang an gut, denn Knud Wilhelm Schmitt wird in Schwerte bei Dortmund in „eine gut katholische“ Familie hineingeboren und verbringt in dieser Region auch die ersten 12 Jahre seines Lebens, bevor die Familie nach Frankfurt zieht. Die Familien der Eltern sind katholisch, im mütterlichen Familienzweig viele katholische Pfarrer und Ordensleute, auch zwei jüngere Cousins seien Pfarrer geworden, eine Cousine ist evangelische Pfarrerin. In seiner Kindheit sei der Glaube in den Familien durch gemeinsames Gebet und den regelmäßigen Kirchgang noch vorgelebt worden – anders als dies heute vielfach der Fall sei. Für seine Entscheidung, als „Spätberufener“ Priester zu werden, hätte der Vater sich mehr und die Mutter etwas weniger begeistert gezeigt, so Schmitt.
Als 12-jähriger hat Pfarrer Schmitt dann auch sein erstes tiefgreifendes Gebets- und Glaubenserlebnis: Mit einer schweren Hals-Mandelentzündung im Krankenhaus liegend, betet der Junge vor der OP für seine Genesung und spürt daraufhin ein Gefühl von Wärme, das seinen Körper durchströmt. Daraufhin habe er wieder Mut gefasst. Wie stark die heilende und stärkende Kraft des Gebetes sein kann, diese persönliche Erfahrung darf er ein zweites Mal vor neun Jahren machen, als er nach einer Schilddrüsenoperation im Krankenhaus liegt und die indischen Schwestern für ihn beten.
Auch wenn sich Schmitt heute gerne an sein Priesterstudium in Frankfurt zurückerinnert, besonders an den „wunderbaren Pater Schneider“ und an die Jesuiten, die in St. Georgen in einem riesigen Park residierten und sich dabei gleichsam auf einer Insel der Glückseligen befunden hätten, erlebt er gegen Ende des 1. Semesters eine tiefe Krise, während der er sich überlegt, alles wieder hinzuwerfen. Aber ein direkt im Anschluss absolviertes Gemeindepraktikum in Bad Camberg erdet ihn wieder und lässt ihn den Sinn seiner zukünftigen Arbeit klarer erkennen. Schmitt studiert auch zwei Freisemester in München, wo das Studium weniger verschult gewesen sei als in St. Georgen und eher einem „normalen“ Universitätsbetrieb entsprochen habe. Im Jahr 1998 wird er zum Diakon und 1999 zum Priester geweiht und erlebte seither viele Höhen und Tiefen, aber ein Grundvertrauen sei immer da gewesen:
„Ich hatte stets das Gefühl, auf dem richtigen Weg zu sein.“
Die ersten drei Jahre nach Beendigung des Studiums hatte er als Kaplan im mittelhessischen Dillenburg, in „Hessisch Sibirien“ verbracht, in tiefster katholischer Diaspora also. Im Anschluss wechselt er in die Pfarrei nach Bad Homburg. Dort bleibt er zwei Jahre. Dann steht der Wechsel auf eine Pfarrstelle an. Der Personaldezernent bringt die hessische Landeshauptstadt ins Spiel. Dabei stößt Schmitt auf eine 10-seitige(!) Stellenausschreibung der Pfarrei St. Peter und Paul in Wiesbaden, in der wirklich alles bis ins Kleinste geregelt gewesen sei. Bei einem Kontaktgespräch finden die Mitglieder der synodalen Gremien der Pfarrei und Kaplan Schmitt dennoch Gefallen aneinander. Der Rest ist Geschichte: Aus der Tätigkeit in Wiesbaden, die er am 26. September 2004 aufnimmt, sind mittlerweile 17 Jahre geworden.
Auf die Frage, wie er zum Papst stehe, antwortet Pfarrer Schmitt vielsagend: „Der Papst ist der Papst.“ Um im Anschluss relativ schnell zu ergänzen, dass er auch vor dem Bischofsamt einen ähnlich großen Respekt hätte. Auch wenn die Geschehnisse um den bereits eingangs erwähnten Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst vor einiger Zeit, diese Sichtweise zumindest ein klein wenig infrage gestellt hätten.
Neulich sei ihm aufgefallen, dass er vor 31 Jahren 31 geworden sei. Die Begegnung mit seinem Schöpfer rücke unaufhaltsam näher, erzählt Schmitt mit einem Schmunzeln. Und da stelle man sich im Hinblick auf die in den nächsten 8-10 Jahren anstehende Pensionierung schon einmal die Frage, welches Erbe man denn hinterlasse und ob man in all den Jahren vielleicht nur den Mangel verwaltet habe.
Welche Botschaft er denn für die Schönstattgemeinde im Bistum Limburg hätte?
„Was du bist, ergreife im Glauben. Was du glaubst, das verkünde. Was du verkündest, erfülle im Leben.“
Pfarrer Schmitt zelebriert im Schönstatt-Kapellchen übrigens in der Regel die hl. Messe am Freitagmorgen um 9 Uhr. Eigentlich sei dies ja gar nicht die richtige Zeit für ihn, so Schmitt, da er normalerweise erst im Laufe des Tages so richtig „auf Touren“ komme.
Am Ende unseres Gespräches gehen wir gemeinsam mit Hündin Lola vor die Tür – im Garten des Pfarrhauses besteht die Möglichkeit des Gassigehens im Schnelldurchlauf. Lola vergesse aufgrund ihres Alters schon einmal, was sie hier eigentlich tun wollte. Die Fressenszeiten kenne sie hingegen ganz genau …
Gespräch aufgezeichnet von Jan Schneider